Geleitwort Im
zehnten Jahr der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Euro erscheint die Europäische Geldpolitik in der 5.,
völlig neu bearbeiteten Auflage. Das ist ein beachtlicher Erfolg der Autoren.
In didaktisch ansprechender und analytisch fundierter Form verstehen sie es,
geldpolitische Grundsatzfragen kompetent zu erörtern und die einheitliche
Geldpolitik der EZB mit ihren vielfältigen Facetten umfassend darzustellen. Das
inzwischen zum Standardwerk avancierte Lehrbuch bietet, wie im Untertitel versprochen,
eine gesunde Mischung aus Theorie, Empirie und Praxis. Dabei ist es ein
besonderer Vorzug des Buches, dass die Ausführungen auch dort verständlich
bleiben, wo komplexe Zusammenhänge herausgearbeitet werden. Daneben ist es vor
allem der konkrete Praxisbezug, der das Buch zu einem informativen Vademekum
für alle macht, die sich für die Geldpolitik in Europa interessieren. Der
Zusammenschluss von elf Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) zur
Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion am 1. Januar 1999 war ein
historisches Ereignis. Zum ersten Mal haben sich souveräne Staaten darauf
verständigt, ihre nationalen Währungen durch eine gemeinsame, einheitliche
Währung – den Euro – zu ersetzen und
ihre staatliche Hoheit auf dem Gebiet des Geldwesens auf eine neu gegründete,
supranationale Institution – die EZB
– zu übertragen. Heute ist der Euro die gemeinsame Währung von rund 320
Millionen Menschen in 15 Mitgliedstaaten der EU. Die
Wirtschafts- und Währungsunion ist ein anspruchsvolles politisches Regime mit zentralisierter,
einheitlicher Geldpolitik und dezentralen, aber eng zu koordinierenden nationalen
Wirtschafts- und Fiskalpolitiken. Um ihr reibungsloses Funktionieren zu
gewährleisten, legen der Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften (EG
Vertrag) und die ihn ergänzenden Regelungen wie etwa der Stabilitäts- und
Wachstumspakt eine klare Aufgabenverteilung zwischen den Politikbereichen fest.
Die hierzu erforderlichen Institutionen, Instrumente und Verfahren sind klar
formuliert. Demnach
ist es das vorrangige Mandat der EZB, Preisstabilität im Euroraum zu
gewährleisten. Dieses eindeutige Mandat beruht auf der theoretisch wie
empirisch wohl begründeten Überzeugung, dass Preisstabilität der beste und
letztlich auch einzige Beitrag ist, den eine glaubwürdige Geldpolitik zu
Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand leisten kann. Es ist daher nur
konsequent, dass die EZB und die nationalen Notenbanken der am Euroraum
teilnehmenden Länder (kurz das Eurosystem)
mit einem hohen Grad an Unabhängigkeit von politischem Einfluss ausgestattet
sind. Wie die Geschichte lehrt, ist eine solche „Entpolitisierung“ von Zentralbank
und Geldpolitik, eine zentrale Voraussetzung für dauerhafte Preisstabilität. Was
ist nun „europäisch“ an der europäischen Geldpolitik? Europäisch ist ganz
offensichtlich der institutionelle Rahmen, innerhalb dessen die Geldpolitik
operiert, nämlich die Asymmetrie zwischen einheitlicher Notenbank und derzeit 15
nationalen Regierungen. Europäisch sind aber vor allem das schon angesprochene
eindeutige Mandat und die von der EZB entwickelte geldpolitische Strategie mit
ihrer einzigartigen Zwei-Säulen-Struktur. Zwei Säulen deshalb, weil die
Beurteilung der künftigen Preisentwicklung im Euroraum auf einem kombinierten
Ansatz aus wirtschaftlicher und monetärer Analyse basiert. Dabei spielt die monetäre
Analyse eine hervorgehobene Rolle, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass mittel-
bis langfristig ein enger Zusammenhang zwischen Geldmengenwachstum und
Inflation besteht. Dadurch wird die mittelfristige Orientierung der Geldpolitik
sichergestellt. Mit ihrer Strategiewahl hat die EZB nicht nur an den Erfahrungen
und Erfolgen der in der Vergangenheit erfolgreichsten Zentralbanken der
teilnehmenden Länder des Euroraums angeknüpft, sondern auch den Besonderheiten
in Europa Rechnung getragen. Inzwischen
sind der Euro und die EZB fest etabliert. Mit einer Preissteigerungsrate von
knapp über 2% im Jahresdurchschnitt können wir auf ein Jahrzehnt weitgehend
stabiler Preise zurückblicken. Auch ist es der EZB gelungen, die langfristigen
Inflationserwartungen im Einklang mit ihrem Ziel auf einem Niveau von unter, aber nahe bei 2% fest zu
verankern. Ein solcher Erfolg wurde von zahlreichen Kritikern der Währungsunion
für nicht erreichbar gehalten. Aber auch auf den internationalen Finanzmärkten
genießt der Euro hohe Wertschätzung. Allerdings
war der Erfolg des Euro kein Selbstläufer, waren die ersten Jahre der
Währungsunion alles andere als eine Schönwetterperiode. Im Gegenteil: Von
Anfang an war die EZB mit einer Reihe widriger makroökonomischer Entwicklungen konfrontiert,
die außerhalb des Einflussbereichs der Geldpolitik lagen. Hierzu zählen vor
allem die weltweite Korrektur auf den Aktienmärkten und die Terroranschläge im
Jahr 2001 sowie der nahezu kontinuierliche Ölpreisanstieg und die schwache Produktivitätsentwicklung
im Euroraum. Große
Herausforderungen bleiben aber auch für die Zukunft. So gibt es etwa immer wieder Bestrebungen, die
EZB durch eine ex ante Koordinierung zwischen einheitlicher Geldpolitik und
nationalen Wirtschafts- und Fiskalpolitiken in andere Politikbereiche einzubinden
und dadurch ihre Unabhängigkeit zu unterminieren. Der Erfolg der Währungsunion
hängt aber entscheidend davon ab, dass die Geldpolitik der EZB durch adäquate
Fiskal- und Wirtschaftspolitiken flankiert wird. Hier besteht angesichts der unterschiedlichen
Anpassungskapazität der Wirtschaft in den einzelnen Ländern der Währungsunion
noch erheblicher Handlungsbedarf. Gleiches gilt auch für diejenigen Länder, die
in Zukunft dem Euroraum beitreten wollen. Eine solche Erweiterung setzt aber einen
hohen Grad an wirtschaftlicher Konvergenz voraus, deren Nachhaltigkeit anhand
der Konvergenzkriterien strikt zu prüfen ist.
Im
März 2008 Prof.
Dr. Jürgen Stark Mitglied des Direktoriums der Europäischen
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